Realschule
Bünde-Mitte
Gemeinsam auf dem Weg - Gemeinsam ans Ziel

logo mobile

Die Neue Westfälische berichtet am 16.03.2022:

„Putin hört und sieht, was ihr macht“

Mittlerweile ehemalige Schüler der Realschule Mitte wollten ihre russischen Freunde schon 2020 in Bünde empfangen. Dann kam Corona und dann der Krieg in der Ukraine. Sie halten aber den Kontakt ins russische Rshew. Die Situation macht ein geplantes Wiedersehen vorerst unmöglich.

RhewSeit 2017 besteht zwischen der Realschule Bünde-Mitte und ihrem russischen Pendant, der Mittelschule Nr. 12 in Rshew, eine Partnerschaft. Im alljährlichen Wechsel sollten sich Schülergruppen besuchen, was bis 2019 auch funktioniert hat. Damals gehörten auch die siebzehnjährigen Jugendlichen Adrian Honstein, Jaron Flömer, Anita Olenburger und Anita Jungmann zu der Bünder Gruppe, die nach Russland flog. „Es war eine unvergessliche Begegnung“, sagt Anita Olenburger. „Wir wurden empfangen, als ob wir berühmte Stars wären.“ Dann kam Corona und dann der Krieg.

Rshew ist eine Stadt mit etwa 62.000 Einwohnern und liegt 200 km westlich von Moskau. Die Partnerschaft beider Schulen macht die Stiftung zur Förderung des deutsch-russischen Jugendaustausches möglich. 2017 war die erste Gruppe von 14 Jugendlichen in Begleitung von Lehrern in Russland, im Jahr darauf folgte der Gegenbesuch. Die Reisen standen unter dem Motto „Vergangenheit verstehen – Zukunft gestalten“. „Der Austausch ist praktizierte Friedensarbeit“, sagt Lehrer Udo Neugart, der die „Russlandgruppe“ in der Realschule Bünde-Mitte betreut.

Die Schüler lebten bei Gastfamilien, trafen Kriegsveteranen und entwarfen gemeinsam Friedensdenkmäler. Und sie fanden neue Freunde. In und um Rshew hat es im Zweiten Weltkrieg harte Kämpfe zwischen der Roten Armee und der deutschen Wehrmacht gegeben. Nachdem der autokratische Präsident Wladimir Putin mit der russischen Armee die Ukraine überfiel, rücken die Erinnerungen der Schüler in weitere Ferne. „Das Entsetzen bei uns war groß“, sagt Adrian Honstein, der genau wie Anita Olenburger und Anita Jungmann russische Wurzeln hat. Zunächst wussten die Jugendlichen noch nicht, was das auch für die Schulpartnerschaft bedeuten würde. Doch mittlerweile ist klar: Flüge sind aufgrund gegenseitig gesperrter Lufträume über Europa und Russland nicht möglich.

Wie aber denken die russischen Partnerschüler darüber? „Wenn wir uns in der WhatsApp-Gruppe unterhalten, merkt man sehr schnell, dass die russischen Schüler nicht darüber sprechen möchten“, sagt Anita Jungmann. Jaron Flömer ergänzt: „Sie sagen dann `lasst uns über was anderes sprechen`. Man merkt schon sehr, dass sie das bedrückt.“ Die vier ehemaligen Schüler der Realschule Bünde-Mitte, die mittlerweile Oberstufen an anderen Schulen besuchen und ihr Abitur machen wollen, glauben schon, dass ihre russischen Patenschüler gut informiert sind, was im Nachbarland Ukraine vor sich geht und dass der Grund dafür nicht die von Putin erklärte „militärische Operation“ zur Entnazifizierung oder zur Befreiung von unterdrückten Russen in der Ukraine ist.

Ob sich die russischen Schüler dazu aber aus Angst vor Repressalien nicht äußern wollen, oder aus Scham, wissen die Bünder Schüler nicht. Sie waren 2019 beim Besuch einer russischen Schule in Rshew überrascht, wie viel Einfluss der russische Präsident auch im Unterricht hat. Anita Olenburger erinnert sich: „Wir besuchten einmal eine Schule und die Kinder sollten für uns ein Lied singen. Das klappte noch nicht so gut.“ Dann habe die Lehrerin auf ein Porträt von Putin an der Wand gezeigt und die Schüler ermahnt: „Richtet eure Augen auf Putin. Er sieht und hört was ihr macht!“ Die Kinder in der Schulklasse waren danach offenbar eingeschüchtert. Zwar gaben sie sich Mühe, aber zufrieden war die Lehrerin danach wohl immer noch nicht.

Bei den Besuchen sei laut Udo Neugart Politik auch immer ein Tabuthema gewesen. Man kümmerte sich halt um Friedensarbeit, um gegenseitiges Verstehen, um den Austausch. Die Hoffnung auf ein Treffen im Herbst dieses Jahres sinkt unterdessen. Zwar weiß man noch nicht, wie sich die Lage entwickelt, aber selbst wenn sich die Situation entspannt und auch die Lufträume wieder schnell geöffnet würden, müsste man jetzt alles Nötige in die Wege leiten.

Rhew   Kopie

„Erst war es Corona und jetzt der Krieg, der verhindert, dass wir uns wiedersehen“, bedauert Anita Jungmann. Aus den Augen verlieren will sich die Gruppe aus Rshew und Bünde aber nicht. „Wir warten auf eine passende Situation, damit wir uns wiedersehen können.“ Lehrer Udo Neugart motiviert: „Wichtig ist, dass der Austausch und der Kontakt halten. Wann es weitergehen kann, weiß ich aber auch nicht.“

Adrian Honstein hält sein Smartphone in der Hand und zeigt ein Bild, auf dem die beiden Schülergruppen aus Russland und Bünde 2019 in ausgelassener Stimmung zu sehen sind. Er sagt: „Das hat damals schon wehgetan, als wir uns verabschieden mussten.“

Text: Gerald Dunkel (NW), Fotos: NW, RSBM